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Rezension: Grimms Wildkochbuch - ehrlich, regional, saisonal.

Der Mai ist gekommen. Die Natur erwacht zu neuem Leben und die Wiesen, Wälder und Felder werden langsam aber sicher zu den Kinderstuben unserer heimischen Wildtiere. Am 1. Mai ziehen dann in alter Tradition gewöhnlich kleine oder auch größere Gruppen mit Bollerwagen durch die Landschaft und Maibäume werden gestellt. Der 1. Mai ist ein betriebsamer, freudiger und wichtiger Feiertag für alle. Doch der 1. Mai läutet für uns Jäger – nach der allgemeinen Jagdruhe - auch den Beginn der Jagdsaison für beispielsweise Rehböcke und Schmalrehe ein. Dies bedeutet für uns nicht nur frühes Aufstehen und langes Sitzen sondern auch Wildfleisch. Das wahrscheinlich beste Wildfleisch, das man über das Jahr bekommt.

 

Wild als Lebensmittel.

Laut einer Umfrage des Deutschen Jagdverbandes (DJV) aus dem April 2020, wird Wildbret immer beliebter. 84% der Deutschen sehen in Wildfleisch nach Aussage des DJV ein gesundes und natürliches Lebensmittel und 55% der Befragten gaben an, mindestens einmal jährlich Wild zu essen. Das ist eine insgesamt erfreuliche Entwicklung, doch gerade mit Blick auf die 55% wird mir so langsam klar, warum ich immer wieder gefragt werde, ob man Wild auch grillen könne oder ob man daraus auch andere Gerichte als Braten oder Gulasch zubereiten kann. Wir achten immer stärker auf das, was wir essen und darauf, woher unsere Lebensmittel kommen und wie sie erzeugt werden. Wildfleisch spielt so eine immer größere Rolle in den privaten Küchen, kämpft aber noch gegen den Mythos des Besonderen, Anderen und besonders Komplizierten.

 

Die Jagd verbinden wir landläufig oft mit wildreichen Wäldern und in grünen Loden gewandeten, weißbärtigen Jägern. Dieser ebenso romantischen wie historisch geprägten Vorstellung vom Jagdwesen folgen oft auch die Annahmen, dass man Wild nur im Herbst und Winter bekommen kann und es folgerichtig Wildgulasch und Braten gibt – natürlich immer mit einer pochierten Birne und Preiselbeeren. Ich selbst ertappe mich auch des Öfteren, wie ich in dieser romantischen Illusion vor mich hinträume und urplötzlich einen Riesenappetit auf Wildgulasch bekomme. Gulasch. Lecker. Doch spätestens dann, wenn ich mir den Einkaufszettel für die restlichen Zutaten zusammenschreibe, wechselt mein Blick vom Topf zum Dutchoven, dann zum Herd und schließlich zum Grill und ich frage mich: Warum wieder Gulasch? Warum kein Schnitzel, keine Bolognese und kein Steak? Fabian Grimm stellte sich diese Frage wahrscheinlich ebenso oft wie ich und liefert mit seinem neuen Buch "Grimms Wildkochbuch" mehr als nur eine Antwort darauf, wie wir das tolle Lebensmittel oder auch „Super Food“ Wildfleisch in unsere Alltagsküche einbinden können.

 

Fabian Grimm ist Jäger, Blogger und – man mag es kaum glauben – ehemaliger Vegetarier. Nach einem Besuch bei Freunden, die in Schottland eine Schaffarm bewirtschaften, setzte sich Fabian intensiv mit der Frage auseinander, ob es auch „gutes“ und „schlechtes“ Fleisch gibt. Die Suche nach dem guten Fleisch brachte Fabian über kleine Umwege in eine Jagdschule und schließlich zum Jagdschein. Fabian sieht die Jagd nicht als Selbstzweck oder Freizeitspaß sondern vielmehr als Möglichkeit, für seine Ernährung Verantwortung zu übernehmen und auch verantwortungsbewusst mit dem Lebensmittel Wild umzugeben. Es verwundert daher auch nicht, dass Fabian versucht, jedes erlegte Tier komplett zu verwerten – quasi antler to tail. Fabian betreibt den Blog Haut Goût und veröffentlicht regelmäßig Rezepte im Jagdmagazin „Unsere Jagd“.  Neben Grimms Wildkochbuch veröffentlichte er bislang „Ich esse, also jage ich“, ein Taschenbuch, in dem er seine Reise vom urbanen Vegetarier zum Jäger erzählt, sowie „Rehwild“ eine praktische Zerwirkanleitung für unser heimisches Rehwild.

 

Fabian Grimm - er jagt, also is(s)t er.

Grimms Wildkochbuch: 50 Wildrezepte für jeden Tag.

Grimms Wildkochbuch untergliedert sich in sieben Kapitel. Im Kapital „Wild & Jagd“ beschreibt Fabian seine persönliche Entwicklung vom Vegetarier zum Jäger, geht auf die Aufgaben der Jagd ein und beschreibt den Weg des Wildes vom Wald bis auf den Teller. Offen stellt er die Vorurteile gegenüber Wildfleisch dar und geht auf diese sachlich und lösungsorientiert ein. Fabian beschreibt weiterhin mit vielen Bildern, welche Faktoren Einfluss auf die Wildqualität haben, wie das Fleisch reifen muss und welchen hygienischen Anforderungen auch Jägern entsprechen müssen, bevor sie ihr Wild vermarkten können. Besonders interessant ist aber meines Erachtens das Kapitel zur Küchenpraxis, in dem Fabian noch einmal auf die Zerlegung des Wildes und die unterschiedlichen Teilstücke eingeht sondern auch mögliche Zubereitungsarten erklärt. In diesem Kapitel beantwortet er eigentlich alle Fragen, die ich auch oft gestellt bekomme: Wann gibt es Wild? Muss ich Wild durchgaren? Welche Stücke muss ich wie zubereiten?

 

Die nachfolgenden Kapitel widmen sich dem Rehwild, Damwild und Schwarzwild sowie dem Feldhasen und der Stockente. Fabian leitet jedes dieser Kapitel mit einer kurzen aber packenden Geschichte aus seinen Jagdgängen ein. So kann man schon fast mitfiebern, als er beschreibt, wie er im Morgengrauen des 1. Mais auf seinen braven Maibock wartet und schließlich doch alles irgendwie anders kommt als es geplant war. Danach folgt ein kurzer Überblick über wissenswerte Fakten zu jeder der oben genannten Wildarten. Dieser Überblick vermittelt nicht nur einen groben Eindruck über die Lebensweisen und Jahreszyklen der ausgesuchten Wildarten sondern führt uns auch eindrucksvoll vor Augen, dass durchschnittlich pro erlegtem Tier nur 30% des Gesamtgewichtes als Fleisch auf unserem Teller landet.

 

Das Herz von Grimms Wildkochbuch bilden aber die 50 alltagstauglichen Rezepte zu den 5 oben genannten Wildarten. Fabian gelang bei der Auswahl dieser Rezepte ein toller Spagat zwischen Küchenklassikern, Eigenkreationen und moderner Küche. Das Reh verarbeitet er unter anderem klassisch zu Leberwurst, aber auch zu Carpaccio, Steak, orientalischem Schawarma oder Cevapcici. Dem Ansatz der Gesamtverwertung folgend, findet sich in Grimms Wildkochbuch konsequenterweise auch ein Rezept für Rehhirn mit Nusskruste. Aus Damwild hingegen wird Soljanka, Gulasch, Rouladen Flammkuchen, Burgern oder die berühmte vietnamesische Nudelsuppe Phó zubereitet. Die Ente hingegen findet ihre Bestimmung als gebeizte Entenbrust oder Enten-Tortellini wohingegen der Feldhase zu Tartar verarbeitet wird. Das Schwarzwild serviert Fabian als confierten Wildschweinnacken, Bratwurst, schwedische Köttbullar, Spareribs, Gulasch oder thailändische Saté-Spieße

 

Fazit:

Mit Grimms Wildkochbuch zeigt Fabian uns auf beeindruckende Art und Weise, wie vielseitig Wildfleisch ist. Egal ob als Festtagsbraten, Grillgut oder in internationalen Gerichten, Wildfleisch macht immer eine gute Figur und macht jedes Gericht zu einem Erlebnis. Die ausgesuchten Rezepte sind klar strukturiert und die Zubereitung detailliert beschrieben. Die Rezepte laden zum Nachkochen ein und sind weder kompliziert noch zu anspruchsvoll um ihren Weg in unsere Alltagsküche zu finden. Als viel wesentlicher empfinde ich allerdings die Tatsache, dass Fabian unser heimisches Wildfleisch entmystifiziert und hoffentlich vielen die Angst vor der Zubereitung dieses tollen Lebensmittels nimmt. Wildfleisch ist etwas Besonderes: etwas besonderes Leckeres und ein besonders hochwertiges Lebensmittel, das viel öfter auf unseren Tellern einen Platz finden sollte.

 

Titel: Grimms Wildkochbuch

Autor(in): Fabian Grimm

Erscheinungsjahr: 2020

Seiten: 224

Verlag: Verlag Eugen Ulmer

Veralgslink: https://www.ulmer.de/usd-6550066/grimms-wildkochbuch-.html

ISBN: 978-3-8186-1037-1

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